Sprache als Heilmittel


Inhalt
1. Sprache als Medizin
2. Sprache der Medizin
3. Gespräch zwischen Arzt und Patienten in der Pädiatrie
4. Das emotionale Arzt-Patienten-Gespräch
5. Linguistik und Medical Humanities

1.Sprache als Medizin


Sprache kann die menschliche Seele berühren. Seelische Heilung gelingt auch durch Sprache und Sprechen. Davon sind alle Wissenschaften überzeugt, die sich mit dem Menschen beschäftigen, unter anderem die Theologie mit der Seelsorge, die Pädagogik und Bildungsgeschichte mit der Bindungstheorie, die Psychiatrie, die Palliativmedizin. Sprache ermöglicht es, Brücken zu bauen, sie ist das effektivste Medium, um innerseelische und körperliche Zustände, wie Leid, Trauer, Angst, Schmerzen, auszudrücken.

2. Sprache der Medizin


Medizin hat über den langen Zeitraum ihrer Entwicklungsgeschichte ein eigenes sprachliches System entwickelt.

Aber werfen wir zunächst einen Blick zurück ins Mittelalter. Der Arzt betrieb damals Seelsorge. Dies ergab sich aus der theologischen Vorstellung, dass Körper, Geist und Seele eine Einheit bilden. Physische Schmerzen wurden in der Regel mit psychischen Schmerzen betrachtet. Somit war Heilung im medizinischen Sinne mit der Heilung der Seele verbunden und an die theologische Seelsorge gekoppelt. Dabei ist Jesus Christus das vollkommene Vorbild des Arztes und Heiler der Seele. Der deutsche Begriff Bildung geht auf das Wort Bild zurück und bedeutet, Jesus Christus ebenbildlich zu werden. Die Sprache selbst konnte die Seele berühren und heilen.

In der modernen, westlichen Medizin haben Veränderungen stattgefunden, es sind neue, auch paradoxe Anforderungen hinzugekommen. Der unter betriebswirtschaftlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen entstehende Kosten- und Leistungsdruck hat Auswirkungen auf die Arzt-Patienten-Kommunikation hinterlassen.
Dennoch ist heute nach wie vor die natürliche Sprache das zentrale Mittel in der Interaktion zwischen Arzt und Patienten. Trotz institutionell geprägter Kommunikation hat sich daran nichts geändert. Vielmehr scheint langsam eine linguistische Wende in der modernen Medizin zu erfolgen, die das Arzt-Patienten-Gespräch wieder in den Mittelpunkt rückt.

3. Gespräch zwischen Arzt und Patienten in der Pädiatrie


Eine Besonderheit innerhalb der Betrachtung ärztlicher Gespräche stellen pädiatrische Gespräche dar. In diesem Zusammenhang wird von triadischer Kommunikation gesprochen. Diese Dialoge stellen für Kinderärzte eine Herausforderung dar. Sie erfordern, die Kommunikation und Beratung zwischen Arzt und Patienten einerseits und einem Angehörigen mit Laienwissen andererseits auf komplexe Weise in Form von multiplen Gesprächs- und Handlungsmustern sowie Entscheidungsfindungen herzustellen.

4. Das emotionale Arzt-Patienten-Gespräch


Spielen Emotionen eine große Rolle, sind Gesprächssituationen zwischen Mediziner und Patienten herausfordernd, vor allem dann, wenn Angst und Panik vorhanden sind. Hier kann die Thematisierung der Emotionen allerdings den Behandlungsprozess fördern. Da Gefühle als subjektives Krankheitserleben des Patienten und ihrer sprachlichen Darstellung ein immenses Gewicht haben, gelingt die Kommunikation über das Einbeziehen von Emotionen mit einhergehender Bewältigung von der Erkrankung.
Am Beispiel der ärztlichen Aufklärung mit Fragebogen in der Anästhesie kann dies gut demonstriert werden: In den meisten Fällen haben Patienten nach dem Ausfüllen des Fragebogens einen zusätzlichen und persönlichen Gesprächsbedarf mit dem Arzt, um Unsicherheiten abzubauen.
Die Kraft der Sprache entfaltet sich aber ebenso besonders in der Palliativmedizin. Palliativmedizin versteht sich als aktive Lebenshilfe am Lebensende von Patienten mit der Aufgabe, deren Lebensqualität zu steigern. Sprache und Sprechen wollen die individuellen, sozialen, spirituellen, psychischen und physischen Bedürfnisse des Patienten zum zentralen Thema erklären.

5. Linguistik und Medical Humanities

Medical Humanities bilden eine Schnittstelle zwischen Medizin und den Humanities. Mit dem Begriff Humanities sind außer den klassischen Humanwissenschaften alle Wissenschaften einbezogen, die sich mit dem Menschen beschäftigen: Geisteswissenschaften wie die Philosophie, Religions-, Kultur-, Sprach- und Geschichtswissenschaften und anderen. Darüber hinaus werden ebenfalls Künste einbezogen.

In anderen Ländern sind die Medical Humanities in den Lehrplänen von medizinischen Ausbildungen fest verankert, z. B. in den USA und Kanada. In der Schweiz fördern die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften und die Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften die Medical Humanities in einem gemeinsamen Projekt.

In Deutschland werden die Medical Humanities im Medizinstudium als Wahlfach an der Charité in Berlin und an der Paracelsus Medizinische Privatuniversität in Nürnberg angeboten. Darüber hinaus finden sich entsprechende Themenbereiche wie Global Health und kulturelle Kompetenz in Wahlfächern wieder.

DFG-NETZWERK
Medizinisches Wissen wird hauptsächlich über Sprache hergestellt. Von diesem Standpunkt aus bündelt das DFG-Netzwerk im Themenfeld Sprache-Wissen-Medizin die Forschungsergebnisse der linguistischen Disziplinen und bringt sie in die interdisziplinäre Forschung mit Medizin, darunter Psychiatrie und Salutogenese, ein.
Forschungsgegenstände sind unter anderem die innerfachliche Kommunikation der in der Medizin fachlich Handelnden, Gesprächsanalyse über Arzt-Patienten-Kommunikation, die Vermittlung medizinischen Expertenwissens, Interaktion von medizinischem Wissen mit Laienwissen und deren Folgen und schließlich der mediale, gesellschaftliche Austausch darüber.

Literatur zu diesem Thema
Busch, Albert/Spranz-Fogasy, Markus (Hrsg.): Handbuch Sprache in der Medizin (Handbücher Sprachwissen 11), Berlin/Boston 2015